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Unionsvorschriften zur Aufbereitung von Einmalprodukten

Unionsvorschriften zur Aufbereitung von Einmalprodukten
(Dienstag, 02. August 2022)

Mit Geltungsbeginn der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR) am 26.05.2021 traten europaweit geltende Vorschriften zur Aufbereitung von Einmalprodukten in Kraft.

1. Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR)

Ein Einmalprodukt ist gemäß Art. 2 Nr. 8 MDR:

„ein Produkt, das dazu bestimmt ist, an einer einzigen Person für eine einzige Maßnahme verwendet zu werden.“

Seit Geltungsbeginn der MDR am 26.05.2021 ist die Aufbereitung von Einmalprodukten nur nach den Vorgaben des Art. 17 MDR und nur dann zulässig, wenn sie nach nationalem Recht gestattet ist. Das ist in Deutschland der Fall.

Art. 17 Abs. 1 bis 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR) regeln dazu:

„(1) Die Aufbereitung und Weiterverwendung von Einmalprodukten ist nur gemäß diesem Artikel und nur dann zulässig, wenn sie nach nationalem Recht gestattet ist.
(2) Eine natürliche oder juristische Person, die ein Einmalprodukt aufbereitet, damit es für eine weitere Verwendung in der Union geeignet ist, gilt als Hersteller des aufbereiteten Produkts und ist daher allen Pflichten, die Herstellern gemäß dieser Verordnung obliegen, unterworfen, wozu auch die Pflichten in Bezug auf die Rückverfolgbarkeit des aufbereiteten Produkts gemäß Kapitel III dieser Verordnung gehören. Der Aufbereiter des Produkts gilt als Hersteller im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie 85/374/EWG.
(3) Abweichend von Absatz 2 können die Mitgliedstaaten beschließen, bei innerhalb einer Gesundheitseinrichtung aufbereiteten und verwendeten Einmalprodukten nicht alle der in dieser Verordnung festgelegten Regelungen hinsichtlich der Verpflichtungen der Hersteller anzuwenden, sofern sie sicherstellen, dass
a) die Sicherheit und die Leistung des aufbereiteten Produkts der des Originalprodukts gleichwertig ist und dass die Anforderungen des Artikels 5 Absatz 5 Buchstaben a, b, d, e, f, g und h eingehalten werden,
b) die Aufbereitung gemäß den GS durchgeführt wird, die Einzelheiten zu folgenden Anforderungen enthalten:
– zum Risikomanagement zusammen mit der Analyse der Konstruktion und des Materials, den damit verbundenen Eigenschaften des Produkts (Reverse Engineering) und den Verfahren zur Erkennung von Änderungen der Auslegung des Originalprodukts sowie seiner geplanten Anwendung nach der Aufbereitung,
– zur Validierung der Verfahren für den gesamten Prozess einschließlich der Reinigungsschritte,
– zur Produktfreigabe und Leistungsprüfung,
– zum Qualitätsmanagementsystem,
– zur Meldung von Vorkommnissen mit Produkten, die aufbereitet wurden, sowie
– zur Rückverfolgbarkeit aufbereiteter Produkte.
Die Mitgliedstaaten wirken darauf hin und können vorschreiben, dass Gesundheitseinrichtungen den Patienten Informationen über die Verwendung aufbereiteter Produkte in der Gesundheitseinrichtung und gegebenenfalls andere einschlägige Informationen über die aufbereiteten Produkte, mit dem Patienten behandelt werden, zur Verfügung stellen.
Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die gemäß diesem Absatz erlassenen nationalen Bestimmungen und die Gründe für deren Erlass mit. Die Kommission macht diese Angaben öffentlich zugänglich.
(4) Die Mitgliedstaaten können beschließen, dass die Bestimmungen gemäß Absatz 3 auch für Einmalprodukte gelten sollen, die im Auftrag einer Gesundheitseinrichtung von einem externen Aufbereiter aufbereitet werden, sofern das aufbereitete Produkt in seiner Gesamtheit an die betreffende Gesundheitseinrichtung zurückgegeben wird und der externe Aufbereiter die Anforderungen gemäß Absatz 3 Buchstaben a und b erfüllt.
(5) Die Kommission legt gemäß Artikel 9 Absatz 1 die in Absatz 3 Buchstabe b genannten erforderlichen GS bis zum 26. Mai 202 fest. Diese GS entsprechen den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und beziehen sich auf die Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen. Falls diese GS nicht bis zum 26. Mai 2021 festgelegt sind, wird die Aufbereitung gemäß einschlägigen harmonisierten Normen und nationalen Vorschriften durchgeführt, mit denen die Einhaltung der in Absatz 3 Buchstabe b festgelegten Anforderungen sichergestellt wird. Die Einhaltung der GS bzw. – sofern keine solchen festgelegt wurden – der einschlägigen harmonisierten Normen und nationalen Vorschriften wird von einer Benannten Stelle zertifiziert.“

Aufbereitet werden dürfen nur Einmalprodukte, die gemäß MDR Verordnung odergemäß der Richtlinie 93/42/EWG in Verkehr gebracht wurden, Art. 17 Abs. 6 MDR.

Einmalprodukte dürfen nur auf eine Art aufbereitet werden, die gemäß den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen als sicher gilt, Art. 17 Abs. 7 MDR.

Name und Anschrift des Aufbereiters sowie die weiteren einschlägigen Angaben gemäß Anhang I Abschnitt 23 werden auf der Kennzeichnung sowie ggf. in der Gebrauchsanweisung für das aufbereitete Produkt angegeben. Name und Anschrift des Herstellers des ursprünglichen Einmalprodukts erscheinen nicht mehr auf der Kennzeichnung, werden aber in der Gebrauchsanweisung für das aufbereitete Produkt genannt, Art. 17 Abs. 8 MDR.

Gemäß Art. 17 Abs. 9 MDR dürfen Mitgliedstaaten abweichende Regelungen erlassen. 

Gemäß Art. 17 Abs. 10 MDR muss die Europäische Kommission bis zum 27.05.2024 einen Bericht über die Evaluierung diese Rechtsvorschriften und ggf. Vorschläge zur Änderung vorlegen.

2. Durchführungsverordnung (EU) 2020/1207 (GS)

Die Europäische Kommission musste gemäß Art. 17 Abs. 5 Satz 1 MDR die in Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b) MDR genannten erforderlichen gemeinsamen Spezifikationen (GS) festlegen. Diese Festlegung erfolgte mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1207 (GS), die für die Aufbereitung gemäß Art. 17 Abs. 3 bis 5 MDR (in/für Gesundheitseinrichtungen) gilt.

Die GS gelten nur für die Aufbereitung von Einmalprodukten gemäß speziellen nationalen Rechtsvorschriften. Für die Aufbereitung mit vollen Herstellerpflichten (Art. 17 Abs. 2 der MDR, auch CE-Aufbereitung) gelten die GS nicht, da bei der CE-Aufbereitung sämtliche Herstellerpflichten gelten und somit auch das umfangreichere Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden muss.

Nach den Vorgaben der MDR müssen die GS folgende Anforderungen regeln:

  • zum Risikomanagement zusammen mit der Analyse der Konstruktion und des Materials, den damit verbundenen Eigenschaften des Produkts (Reverse Engineering) und den Verfahren zur Erkennung von Änderungen der Auslegung des Originalprodukts sowie seiner geplanten Anwendung nach der Aufbereitung,
  • zur Validierung der Verfahren für den gesamten Prozess einschließlich der Reinigungsschritte,
  • zur Produktfreigabe und Leistungsprüfung,
  • zum Qualitätsmanagementsystem (QMS),
  • zur Meldung von Vorkommnissen mit Produkten, die aufbereitet wurden, sowie
  • zur Rückverfolgbarkeit aufbereiteter Produkte.

Die Vorgaben wurden in 26 Artikeln der GS umgesetzt. Neben den genannten Anforderungen enthalten die GS Vorgaben zur Organisation der Aufbereitung, zum Verfahren und den Schritten des Aufbereitungszyklus, zu Jahresaudits, zum Personal (einschließlich der Benennung einer oder mehrerer für die Aufbereitung verantwortlicher Personen) sowie zu Räumlichkeiten und Ausrüstung. Die Einmalprodukte müssen hinsichtlich ihrer Eignung für die Aufbereitung bewertet werden. Außerdem muss eine Höchstzahl von Aufbereitungszyklen festgelegt und deren Einhaltung sichergestellt werden. Für die aufzubereitenden Medizinprodukte muss eine technische Dokumentation erstellt werden.

Die GS enthalten dabei auch Vorgaben für den Fall der Beauftragung externer Aufbereiter im Sinne des Art. 17 Abs. 4 der MDR. Die GS bezeichnen als „Aufbereiter“ sowohl die Gesundheitseinrichtung als auch den externen Aufbereiter und als „externen Aufbereiter“ die Einheit, die Einmalprodukte im Auftrag einer Gesundheitseinrichtung aufbereitet. Wird die Aufbereitung durch einen externen Aufbereiter vorgenommen, müssen Gesundheitseinrichtung und externer Aufbereiter einen schriftlichen Vertrag schließen (Art. 3 Abs. 1 der GS). Dieser Vertrag muss gemäß Art. 3 Abs. 2 der GS folgende Elemente beinhalten:

  • Abgrenzung von Aufgaben, Pflichten und Zuständigkeiten beider Vertragspartner,
  • Übergangsregelungen für den Fall eines Wechsels von einem externen Aufbereiter zu einem anderen und die Zuständigkeiten des externen Aufbereiters, der jeweils Vertragspartner ist,
  • Anforderungen an Qualifikation und Sachkenntnis des an der Aufbereitung beteiligten Personals,
  • Anforderungen an die Aufbereitung, die Erfassung von Informationen über die aufbereiteten Produkte und den Informationsaustausch zwischen Gesundheitseinrichtung und externem Aufbereiter,
  • die Anforderung, die Kompatibilität der QMS der Vertragspartner im Sinne des Art. 21 der GS sicherzustellen, und
  • das Verfahren zur Überwachung der Qualität der von dem externen Aufbereiter durchgeführten Aufbereitung durch Audits vor Ort.

3. Optionen der Aufbereitung von Einmalprodukten

Die MDR eröffnet für die Aufbereitung von Einmalprodukten zwei Optionen: Die Aufbereitung von Einmalprodukten mit vollen Herstellerpflichten (Art. 17 Abs. 2 der MDR) und die Aufbereitung mit reduzierten Herstellerpflichten (Art. 17 Abs. 3 und 4 der MDR).