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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in Kraft

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in Kraft
(Mittwoch, 09. November 2022)

Am 11.11.2022 wurde das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht,

Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) vom 07.11.2022, BGBl. I, S. 1990,

Im Vergleich zum Regierungsentwurf ergeben sich im Bereich Pharmarecht folgende Änderungen:

  1. Die Umsatzgrenze für eine Geltung des medizinischen Zusatznutzens bei Arzneimitteln zur Behandlung seltener Leiden (Orphan Drugs, Verordnung (EG) Nr. 141/2000) wird nicht von 50 auf 20 Millionen EUR, sondern auf 30 Millionen EUR abgesenkt, § 35a Abs. 1 Satz 12 SGB V.
  2. Den vom neu eingeführten Kombinationsabschlag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen nach § 130e SGB V betroffenen pharmazeutischen Unternehmen wird die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag den Kombinationsabschlag zu streichen, sofern der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf Grundlage der Stellungnahme des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) feststellt, dass für diese Arzneimittelkombination mit neuen Wirkstoffen die vom Unternehmen vorgelegten vergleichenden Studien einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen für Patienten im Anwendungsgebiet erwarten lassen, § 35a Abs. 1d SGB V. In diesem Fall entfällt nach § 130e Abs. 1 Satz 2 SGB V der Abschlag mit Wirkung für die Zukunft. Der G-BA nimmt nach § 35a Abs. 1d Satz 1 SGB V keine umfassende Nutzenbewertung vor, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, dass Hinweise auf einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen vorliegen oder nicht. Weitergehende Aussagen zur Quantifizierung des Zusatznutzens der Kombination sind nicht erforderlich und werden daher auch nicht getroffen. Die Feststellung erfolgt nur auf Antrag und wird vom G-BA nicht von Amts wegen getroffen. Sie betrifft wie § 130e SGB V nur freie Kombinationen von Arzneimitteln, da Fixkombinationen von vornherein einer Nutzenbewertung unterliegen. Wenn sich pharmazeutischer Unternehmer und GKV-Spitzenverband nicht auf einen neuen Herstellerabgabepreis als Ausnahme vom Preismoratorium in dem Verfahren nach § 130a Abs. 3c SGB V einigen können, ist eine Nutzenbewertung mit anschließender Erstattungsbetragsvereinbarung durchzuführen, § 35a Abs. 6 Satz 3 SGB V. Mit § 130a Abs. 3c SGB V wird ein Antragsverfahren geschaffen, das pharmazeutischen Unternehmern die Möglichkeit gibt, neu in den Markt eingeführte Arzneimittel, die bislang unter § 130a Abs. 3a SGB V fielen, vom Preismoratorium auszunehmen. Hierzu hat der pharmazeutische Unternehmer einen Antrag beim GKV-Spitzenverband zu stellen, über den innerhalb von acht Wochen nach Eingang zu entschieden ist. Voraussetzung für eine positive Entscheidung des GKV-Spitzenverbands ist, dass für das neu in den Markt eingeführte Arzneimittel eine neue arzneimittelrechtliche Genehmigung erteilt wurde, die im Vergleich zu bereits zugelassenen Arzneimitteln mit diesem Wirkstoff eine neuen Patientengruppe oder ein neues Anwendungsgebiet erfasst und eine Verbesserung der Versorgung von Patienten zu erwarten ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn damit patientenrelevante Vorteile im Vergleich zu bestehenden Alternativen erreicht werden. Der GKV-Spitzenverband hat die Entscheidung über den Antrag dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unverzüglich mit einer vierwöchigen Prüffrist zu übermitteln. Eine negative Entscheidung des GKV-Spitzenverbands kann durch eine positive Entscheidung des BMG ersetzt werden. Sofern eine positive Entscheidung über den Antrag vorliegt, hat der GKV-Spitzenverband mit dem pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung mit Wirkung für alle Krankenkassen einen Herstellerabgabepreis zu vereinbaren. Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V bis zur Vereinbarung eines Herstellerabgabepreises. Für bereits zugelassene Arzneimittel wurden mit Blick auf § 130a Abs. 3c SGB V in § 418 SGB V Übergangsregelung zum Antragsverfahren geschaffen.
  3. Durch § 130b Abs. 11 SGB V wird festgelegt, dass das BMG dem Bundestag bis zum 31.12.2023 eine Evaluation zu den Auswirkungen der Maßnahmen zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben der GKV und zur Weiterentwicklung des AMNOG vorlegt. Zu bewerten sind damit insbesondere die Auswirkungen der Reduzierung der Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens für die Nutzenbewertung, die neuen Vorgaben für Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die nach dem Beschluss des G-BA keinen, einen geringen oder einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen haben und die Einführung des Kombinationsabschlags nach § 130e SGB V auf den Erstattungsbetrag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen. Ziel der Evaluation ist die Information des Bundestages, ob die mit diesem Gesetz vorgenommenen Maßnahmen im Arzneimittelbereich ihre Ziele erreichen und ob ggf. nicht beabsichtigte Effekte auf die Versorgungssicherheit mit und den Zugang zu Arzneimitteln, insbesondere auch für Patienten mit seltenen Erkrankungen, und den Erhalt und die Stärkung von Produktionsstandorten in Deutschland und der EU eintreten. Die Frist bis Ende 2023 soll sicherstellen, dass eine belastbare Datengrundlage für die Untersuchung zur Verfügung steht.
  4. In § 78 Abs. 3a Satz 4 AMG wird geregelt, dass der Erwerber eines Arzneimittels, für das ein Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 3a SGB V gilt, vom pharmazeutischen Unternehmer einen Ausgleich der Differenz zwischen dem Erstattungsbetrag und dem bis zu dessen Vereinbarung tatsächlich gezahlten Abgabepreis verlangen kann. Dies ist erforderlich, da der Ausgleichsanspruch nach § 130b Abs. 3a Satz 9 bzw. Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht die Abgabe von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen erfasst, die außerhalb der ambulanten Versorgung der GKV erfolgt. Dies gilt insbesondere für die Abgabe an Krankenhäuser, Justizvollzuganstalten und andere Abgaben, die aus dem Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen sind. Für vereinbarte krankenhausindividuelle Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gilt insoweit eine Neuvereinbarungspflicht, § 6 Abs. 2 Satz 12 KHEntgG. Für unterjährige krankenhausindividuelle Entgelte gibt es Ausgleichspflichten, § 15 Abs. 3 Satz 3 KHEntgG.
  5. Die weiteren pharmarelevanten Regelungen bleiben im Vergleich zur vorherigen Version unverändert: Es bleibt bei der Verschiebung der Frist für Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch Apotheken in den Arzneimittel-Richtlinien auf den 16.08.2023, § 129 Abs. 1a Satz 5 SGB V. Auch bleibt es bei der Erhöhung des Zwangsrabatts der Apotheken von 1,77 EUR auf 2 EUR für zwei Jahre, § 130 Abs. 1a SGB V. Das belastet die Apotheken mit 120 Millionen EUR pro Jahr (DAZ vom 27.10.2022, S. 14). Der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V, der für Arzneimittel ohne Festbetrag gilt, wird vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2023 um 5 Prozentpunkte auf 12 Prozent erhöht. Ist dieser Abschlag in einer Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b SGB V abgelöst worden, erhalten die Krankenkassen einen Abschlag in Höhe von 5 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Es bleibt bei der Verlängerung des seit 2010 bestehenden Preismoratoriums für Arzneimittel bis Ende 2026, § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V.

Die hier vorgestellten Vorschriften zum KHEntgG treten am 01.01.2023 in Kraft. Die übrigen hier vorgestellten Vorschriften traten am 12.11.2022 in Kraft.