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Verlängerung Übergangsfristen MDR und IVDR

Verlängerung Übergangsfristen MDR und IVDR
(Dienstag, 21. Februar 2023)

Das Europäische Parlament hat dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verlängerung der Übergangsfristen der MDR und der IVDR am 16.02.2023 zugestimmt.

Einführung

Bekanntermaßen führen die neuen Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (MDR) mit den höheren Anforderungen an die Konformitätsbewertung, den nicht ausreichenden und überlasteten Benannten Stellen und den zu kurz bemessenen Übergangsfristen zu großen Problemen bei Herstellern von Medizinprodukten und in der Folge aufgrund zu befürchtender Engpässe auch bei den Anwendern im Gesundheitswesen.

Zwar wurde wegen der COVID-19-Pandemie der Geltungsbeginn der MDR um ein Jahr verschoben, die Übergangsfristen wurden jedoch unverändert beibehalten. Das führte dazu, dass die Übergangsfristen „netto“ um ein Jahr verkürzt wurden.

Geltungsbeginn der MDR: 26.05.2021

Die Europäische Kommission legte am 06.01.2023  einen Vorschlag zur Verlängerung der Übergangsfristen in der MDR und zur Abschaffung der Abverkaufsfristen in MDR und IVDR vor.

Verlängerung Übergangsfristen Inverkehrbringen

Unter bestimmten Voraussetzungen sollen die in Art. 120 MDR festgelegten Übergangsfristen für das Inverkehrbringen verlängert werden. Die Verlängerung wird je nach Risikoklasse des Medizinprodukts gestaffelt sein, d. h. 

  • bis zum 31.12.2027 für Medizinprodukte mit höherem Risiko und
  • bis zum 31.12.2028 für Medizinprodukte mit mittlerem und geringerem Risiko.

Medizinprodukte mit höherem Risiko sind implantierbare Medizinprodukte der Klassen III und IIb.

Medizinprodukte mit mittlerem und geringerem Risiko sind die anderen Medizinprodukte der Klasse IIb sowie Medizinprodukte der Klassen IIa, Im, Is, und Ir.

Verlängerung Gültigkeit von Bescheinigungen der Hersteller

Flankierend soll die Gültigkeit von Bescheinigungen (Zertifikaten) nach altem Recht verlängert werden. Unter bestimmten Bedingungen sollen selbst nach Geltungsbeginn der MDR abgelaufene Bescheinigungen verlängert werden.

Abschaffung Abverkaufsfristen

Schließlich sollen die sog. Abverkaufsfristen (bisher 27.05.2025) abgeschafft werden. Ein Hersteller darf das Medizinprodukt gemäß o. g. Übergangsfristen in den Verkehr bringen. Danach ist es auch nach Ablauf der Übergangsfrist (2027/2028) z. B. bei einem Händlerweiter verkehrsfähig. Dadurch wird eine unnötige Entsorgung sicherer Medizinprodukte verhindert, die sich bereits auf dem Markt, aber noch nicht beim Endanwender befinden.

Unter Abverkaufsfrist versteht die Europäische Kommission das Enddatum für die weitere Bereitstellung auf dem Markt von Medizinprodukten, die vor oder während des Übergangszeitraums in Verkehr gebracht wurden und sich nach Ablauf des verlängerten Übergangszeitraums noch in der Lieferkette befinden.

Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR)

Die Übergangsfristen der IVDR wurden bereits durch die Verordnung (EU) 2022/112 verlängert. Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission werden nun auch die Abverkaufsfristen für die Bereitstellung auf dem Markt von In-vitro-Diagnostika gestrichen.  

Ausblick – Weiteres Gesetzgebungsverfahren der EU

Das Europäische Parlament hat dem Vorschlag am 16.02.2023 zugestimmt. Damit wird die Umsetzung der Verlängerung der Übergangsfristen sehr wahrscheinlich. Im nächsten Schritt muss der Vorschlag noch vom Rat (also den Mitgliedstaaten) gebilligt werden. Danach kann er im Amtsblatt veröffentlicht werden. Das Europäische Parlament erwartet das bis spätestens zum 26.05.2023.

Anhang – Die vorgeschlagenen Änderungen im Wortlaut

Artikel 1

Die Verordnung (EU) 2017/745 wird wie folgt geändert:

1. Artikel 120 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Unterabsatz 2 erhält folgende Fassung:
„Bescheinigungen, die von Benannten Stellen ab dem 25. Mai 2017 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG ausgestellt wurden, die am 26. Mai 2021 noch gültig waren und die anschließend nicht zurückgezogen wurden, behalten ihre Gültigkeit nach dem En-de des auf der Bescheinigung angegebenen Zeitraums bis zu dem Datum, das in Absatz 3a des vorliegenden Artikels für die jeweilige Risikoklasse der Produkte festgelegt ist. Bescheinigungen, die von Benannten Stellen im Einklang mit diesen Richtlinien ab dem 25. Mai 2017 ausgestellt wurden, am 26. Mai 2021 noch gültig waren und vor dem ... [Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung] abgelaufen sind, gelten nur dann bis zu den in Absatz 3a des vorliegenden Artikels festgelegten Zeitpunkten als gültig, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Vor Ablauf der Bescheinigung haben der Hersteller und eine Benannte Stelle eine schriftliche Vereinbarung gemäß Anhang VII Abschnitt 4.3 Unterabsatz 2 der vorliegenden Verordnung über die Konformitätsbewertung des Produkts, für das die abgelaufene Bescheinigung gilt, oder eines Produkts, das dazu bestimmt ist, dieses Produkt zu ersetzen, unterzeichnet;
b) eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats hat eine Ausnahme von dem anwendbaren Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 59 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung gewährt oder den Hersteller gemäß Artikel 97 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung aufgefordert, das anzuwendende Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen.“

b) Absatz 3 erhält folgende Fassung:
„(3) Abweichend von Artikel 5 und unter der Voraussetzung, dass die in Absatz 3c genannten Bedingungen erfüllt sind, dürfen die in den Absätzen 3b und 3b genannten Produkte bis zu den in diesen Absätzen genannten Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.

(3a) Produkte, für die gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG eine aufgrund von Absatz 2 des vorliegenden Artikels gültige Bescheinigung ausgestellt wurde, dürfen bis zu den folgenden Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden:
a) 31. Dezember 2027 für Produkte der Klasse III und für implantierbare Produkte der Klasse IIb, ausgenommen Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Zahn- bzw. Knochenplatten, Drähte, Stifte, Klemmen und Verbindungsstücke;
b) 31. Dezember 2028 für andere Produkte der Klasse IIb als die unter Buchstabe a des vorliegenden Absatzes genannten, für Produkte der Klasse IIa und für Produkte der Klasse I, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden, oder mit Messfunktion.

(3b) Produkte, für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der Richtlinie 93/42/EWG nicht die Mitwirkung einer Benannten Stelle erforderte, für die die Konformitätserklärung vor dem 26. Mai 2021 ausgestellt wurde und für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der vorliegenden Verordnung die Mitwirkung einer Benannten Stelle erfordert, dürfen bis zum 31. Dezember 2028 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.

(3c) Produkte gemäß den Absätzen 3a und 3b des vorliegenden Artikels dürfen nur bis zu den in diesen Absätzen genannten Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Die Produkte entsprechen weiterhin der Richtlinie 90/385/EWG bzw. der Richtlinie 93/42/EWG;
b) es liegen keine wesentlichen Veränderungen der Auslegung und der Zweckbestimmung vor;
c) die Produkte stellen kein unannehmbares Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten, Anwender oder anderer Personen oder für andere Aspekte des Schutzes der öffentlichen Gesundheit dar;
d) der Hersteller hat spätestens am 26. Mai 2024 ein Qualitätsmanagementsystem gemäß Artikel 10 Absatz 9 eingerichtet;
e) der Hersteller oder der Bevollmächtigte hat spätestens am 26. Mai 2024 bei einer Benannten Stelle einen förmlichen Antraggemäß Anhang VII Abschnitt 4.3 Unterabsatz 1 auf Konformitätsbewertung für ein in dem Absatz 3a oder 3b genanntes Produkt oder für ein Produkt, das dazu bestimmt ist, dieses Produkt zu ersetzen, gestellt, und die Benannte Stelle und der Hersteller haben spätestens am 26. September 2024 eine schriftliche Vereinbarung gemäß Anhang VII Abschnitt 4.3 Unterabsatz 2 unterzeichnet.

(3d) Abweichend von Absatz 3 des vorliegenden Artikels gelten die Anforderungen dieser Verordnung an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten für Produkte gemäß den Absätzen 3a und 3b anstelle der entsprechenden Anforderungen der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG.

(3e) Unbeschadet des Kapitels IV und des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels bleibt die Benannte Stelle, die die Bescheinigung gemäß Absatz 3a des vorliegenden Artikels ausgestellt hat, für die angemessene Überwachung aller geltenden Anforderungen an die von ihr zertifizierten Produkte verantwortlich, es sei denn, der Hersteller ist mit einer Benannten Stelle, deren Benennung gemäß Artikel 42 erfolgt ist, übereingekommen, dass sie eine derartige Überwachung durchführt.
Spätestens am 26. September 2024 ist die Benannte Stelle, die die schriftliche Vereinbarung gemäß Absatz 3c Buchstabe e des vorliegenden Artikels unterzeichnet hat, für die Überwachung der unter die schriftliche Vereinbarung fallenden Produkte verantwortlich. Betrifft die schriftliche Vereinbarung ein Produkt, das dazu bestimmt ist, ein Produkt zu ersetzen, für das eine Bescheinigung gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG ausgestellt wurde, so wird die Überwachung in Bezug auf das ersetzte Produkt durchgeführt.
Die Vorkehrungen für die Übertragung der Überwachung von der Benannten Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, auf die Benannte Stelle, deren Benennung gemäß Artikel 42 erfolgt ist, werden in einer Vereinbarung zwischen dem Hersteller und der Benannten Stelle, deren Benennung gemäß Artikel 42 erfolgt ist, und, soweit durchführbar, der Benannten Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, klar geregelt. Die Benannte Stelle, deren Benennung gemäß Artikel 42 erfolgt ist, ist nicht für Konformitätsbewertungstätigkeiten verantwortlich, die von der Benannten Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, durchgeführt werden.

(3f) Abweichend von Artikel 5 dürfen implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III bis zum 26. Mai 2026 ohne eine von einer Benannten Stelle nach dem Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 52 Absatz 8 Unterabsatz 2 ausgestellte Bescheinigung in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, sofern der Hersteller oder der Bevollmächtigte spätestens am 26. Mai 2024 bei einer Benannten Stelle einen förmlichen Antrag gemäß Anhang VII Abschnitt 4.3 Unterabsatz 1 auf Konformitätsbewertung gestellt hat und die Benannte Stelle und der Hersteller spätestens am 26. September 2024 eine schriftliche Vereinbarung gemäß Anhang VII Abschnitt 4.3 Unterabsatz 2 unterzeichnet haben.“

c) Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„(4) Produkte, die vor dem 26. Mai 2021 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, und Produkte, die ab dem 26. Mai 2021 gemäß den Absätzen 3, 3a, 3b und 3f in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.“

2. Artikel 122 wird wie folgt geändert:

1. In Absatz 1 erhält der einleitende Satz folgende Fassung:

„Unbeschadet des Artikels 120 Absätze 3 bis 3e und 4 und unbeschadet der Pflichten der Mitgliedstaaten und Hersteller zur Vigilanz und der Pflichten der Hersteller zum Bereithalten der Unterlagen gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG werden jene Richtlinien mit Wirkung vom 26. Mai 2021 aufgehoben, mit Ausnahme von“;

2. Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„Bezüglich der in Artikel 120 Absätze 3 bis 3e und 4 genannten Produkte gelten die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Richtlinien weiter, soweit dies zur Anwendung der genannten Absätze notwendig ist.“

3. Artikel 123 Absatz 3 Buchstabe d 24. Spiegelstrich erhält folgende Fassung:

„– Artikel 120 Absatz 3d.“

Artikel 2

Die Verordnung (EU) 2017/746 wird wie folgt geändert:

1. Artikel 110 Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„(4) Produkte, die vor dem 26. Mai 2022 gemäß der Richtlinie 98/79/EG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, und Produkte, die ab dem 26. Mai 2022 gemäß Absatz 3 rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.“

2. Artikel 112 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„Bezüglich der in Artikel 110 Absätze 3 und 4 genannten Produkte gilt die Richtlinie 98/79/EG insoweit weiter Anwendung, als es für die Anwendung der genannten Absätze notwendig ist.“

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.