Keine Haftung von Krankenhäusern, Ärzten oder Silikonherstellern für fehlerhafte Brustimplantate
In den letzten Wochen gab es fast täglich Presseberichte zu fehlerhaften und gefährlichen Brustimplantaten. Inzwischen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlen, dass die betroffenen Brustimplantate als Vorsichtsmaßnahme entfernt werden sollten.
www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/riskinfo/empfehlungen/Silikon_Brustimplantate_PIP.html
Der Ruf nach mehr Regulierung durch den Staat ist wohlfeil und entspricht dem Zeitgeist. Er ist aber nicht zielführend. Denn die Regulierung des Medizinprodukterechts einschließlich der Überwachung ist ausreichend. Keine Regulierung kann mit hoher krimineller Energie begangene strafbare Handlungen verhindern. Es kommt vielmehr darauf an, die schwarzen Schafe der Branche zu identifizieren und vom Markt zu entfernen. Das sollten alle Beteiligten einschließlich der Krankenhäuser und Ärzte unterstützen.
Trotz vereinzelt angebotener Kulanzregelungen ist nun damit zu rechnen, dass betroffene Patientinnen Schadensersatzansprüche gegen Krankenhäuser, Ärzte und Hersteller geltend machen werden. Allerdings haben nach den bisherigen Erkenntnissen Klagen betroffener Patientinnen wenig Aussicht auf Erfolg. Die Patientinnen sollten sich daher besser an ihren Arzt wenden und versuchen, in den Genuss einer der Kulanzregelungen zu kommen.
Am aussichtsreichsten wäre ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller der Brustimplantate. Der Hersteller haftet verschuldensunabhängig nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung.
Ein Hersteller ist grundsätzlich schadensersatzpflichtig, wenn durch den Fehler eines von ihm in Verkehr gebrachten Produkts jemand getötet, sein Körper verletzt oder eine andere Sache beschädigt wird. Nach § 3 Abs. 2 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann.
Hersteller ist jeder, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Somit haften auch Zulieferer, wenn ihre Produkte fehlerhaft waren.
Allerdings ist ein Silikonlieferant in der Regel nicht verantwortlich, wenn sein Produkt nach den geforderten Spezifikationen einwandfrei, für die Weiterverarbeitung im Endprodukt aber nicht geeignet war.
Daneben besteht eine verschuldensabhängige und in der Höhe unbegrenzte Produzentenhaftung des Herstellers nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Voraussetzungen dafür sind die fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- oder Produktbeobachtungsfehler), die Verletzung eines Rechtsguts (z. B. Verletzung der Gesundheit) und die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden. Eine gleichartige Haftung kann auch aus der Verletzung eines sog. Schutzgesetzes resultieren, § 823 Abs. 2 BGB.
Der Hersteller der Brustimplantate ist aber nach Presseberichten (FAZ vom 05.01.2012, Seite 7) insolvent. Ansprüche gegen ihn werden also ins Leere laufen. Der Haftpflichtversicherer verweigert die Regulierung, da der Hersteller vorsätzlich in betrügerischer Absicht gehandelt hat (Ärzte Zeitung vom 10.01.2012, Seite 13).
Ansprüche gegen Krankenhäuser und Ärzte werden hier in der Regel nicht bestehen. Denn im Gegensatz zu einem Hersteller haften Krankenhäuser und Ärzte in Deutschland nicht verschuldensunabhängig nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung. Vielmehr haften sie im Rahmen des Behandlungsvertrages lediglich für schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzungen. Diese könnten bei implantierbaren Medizinprodukten z. B. darin bestehen, dass nicht geprüft wird, ob das Produkt eine CE-Kennzeichnung nach Medizinprodukterecht hat, oder dass behördliche oder vom Hersteller veranlasste Warnungen oder Rückrufe ignoriert werden. Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte.