EuGH: "Legal Highs" keine Arzneimittel
Der EuGH hat am 10.07.2014 in den verbundenen Rechtssachen C‑358/13 und C‑181/14 entschieden, dass ein Arzneimittel der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich sein muss, und daher Legal Highs keine Arzneimittel sind.
Der EuGH hat – knapp einen Monat nach den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 12.06.2014 – über die Auslegung des Begriffs Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG entschieden.
Grundlage der Entscheidung waren Vorabentscheidungsersuchen des BGH (EuGH-Vorlage vom 28.05.2013 – 3 StR 437/12; EuGH-Vorlage vom 08.04.2014 – 5 StR 107/14, vorgehend LG Lüneburg bzw. LG Itzehoe).
In den vorgehenden Strafverfahren wurden Angeklagte wegen des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel verurteilt. Eine Verurteilung nach Betäubungsmittelstrafrecht konnte nicht erfolgen, da die streitgegenständlichen Betäubungsmittel zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterfielen. In Verkehr gebracht wurden sog. Legal-High-Produkte, die synthetische Cannabinoide enthielten. Diese waren in Kräutermischungen enthalten, die als Ersatz für Marihuana geraucht werden sollten, um sich in einen mit dem Konsum von Marihuana vergleichbaren Rauschzustand zu versetzen. Die Kräutermischungen wurden teilweise als "Raum-Erfrischer" vertrieben. Gesundheitliche Effekte haben die verwendeten synthetischen Cannabinoide nicht. Allerdings gehen von ihnen erhebliche schädliche Wirkungen auf den Körper aus.
Um die Angeklagten nach Arzneimittelstrafrecht verurteilen zu können, müsste es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um Arzneimittel gehandelt haben. Die Arzneimitteleigenschaft war fraglich, da die vertriebenen Produkte weder einen gesundheitsfördernden Effekt hatten, noch ein solcher behauptet wurde.
Der EuGH hat entschieden, dass die Arzneimitteldefinition des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG keine Stoffe erfasst, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, und die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und dabei gesundheitsschädlich sind.
Der EuGH ging bei der Auslegung des Arzneimittelbegriffs davon aus, dass die beiden Alternativen Präsentations- und Funktionsarzneimittel in Verbindung miteinander, jedenfalls aber nicht im Gegensatz zueinander stehen.
Daher muss – insbesondere unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie 2001/83/EG, die eine gesundheitsfördernde Wirkung der Produkte voraussetzt – die Beeinflussung der physiologischen Funktionen in der Definition des Funktionsarzneimittels so verstanden werden, dass diese eine gesundheitsfördernde Wirkung haben muss. Die gesundheitsfördernde Wirkung wird in allen Definitionen des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (Präsentationsarzneimittel, Diagnostikum) vorausgesetzt.
Fazit:
Der EuGH hat entschieden, dass Produkte nur dann Arzneimittel sein können, wenn sie mittelbar oder unmittelbar einen gesundheitsfördernden Effekt haben. Ein Ausweichen der Strafverfolger vom – noch nicht einschlägigen – Betäubungsmittelstrafrecht zum Arzneimittelstrafrecht ist daher in den meisten Fällen nicht möglich. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, Strafbarkeitslücken im Betäubungsmittelrecht jeweils schnell zu schließen.