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Corona-Pandemie - Medizinische Basics

Corona-Pandemie - Medizinische Basics
(Donnerstag, 02. April 2020)

Die Seite wird nicht mehr aktualisiert. Aktuelle Informationen finden Sie unter: 

www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

Medizinische Fakten zu Corona

UPDATES werden blau dargestellt.

Ein gutes Glossar finden Sie bei NDR Info

Die Corona-Pandemie wurde ausgelöst durch das Virus: SARS-CoV-2
(Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2).

Die vom SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung heißt: COVID-19
(CORONA VIRUS DISEASE 2019).

Kritische Anmerkungen zu Sparmaßnahmen der Vergangenheit finden Sie im ANHANG nach dem Quellenverzeichnis

1. Inkubationszeit

Die Inkubationszeit (von Ansteckung bis zum Auftreten von Krankheitszeichen) beträgt 1 bis 14 Tage, in den meisten Fällen 5 bis 6 Tage

2. Symptome

Die Symptome (Krankheitszeichen) von COVID-19 können sehr unterschiedlich sein und reichen von akuten respiratorischen Symptomen (Kratzen im Hals, trockener Husten, Fieber, Störungen des Geruchs– und/oder Geschmackssinns) bis zur schweren Lungenentzündung (Pneumonie). COVID-19 kann auch ohne Krankheitszeichen ablaufen (asymptomatischer Verlauf).

UPDATE 21.04.2020: Man kann anhand von Studiendaten davon ausgehen, dass ca. 40 % der  COVID-19-Erkrankungen asymptomatisch verlaufen.

Zu beachten ist, dass ein COVID-19-Patient bereits vor Auftreten der Symptome infektiös (ansteckend) ist. Dieser (in der Inkubationszeit liegende) Zeitraum kann zwischen 1 und 2,5 Tage vor Auftreten der Symptome betragen. Man kann sich also bei symptomlosen Patienten anstecken (solche, die gar keine Symptome zeigen oder solche, die vor Auftreten von Symptomen ansteckend sind).

UPDATE 21.04.2020: Die größte Infektiosität (Ansteckungsgefahr für andere) haben Patienten einen Tag vor Symptombeginn!

UPDATE 04.04.2020: Inzwischen ist bekannt, dass 46% der Ansteckungen durch Patienten stattfinden, die sich bereits infiziert haben, aber noch keine Symptome zeigen (also während der Inkubationszeit).

UPDATE 21.04.2020: Vier Tage nach Symptombeginn sind viele Patienten nicht mehr ansteckend, eine Woche nach Symptombeginn dürfte so gut wie kein Patient mehr ansteckend sein.

3. Verlauf

Nach der ersten Erkrankungswoche entscheidet sich in der Regel, ob COVID-19 einen weiteren milden oder einen schweren Verlauf nimmt. Beim schweren Verlauf kann wegen Atemnot ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden. Einige Patienten müssen auf der Intensivstation betreut und u. U. sogar künstlich beatmet werden. Eine solche Beatmung ist kompliziert und setzt einige intensivmedizinische Erfahrung des Arztes sowie eine Beatmungsmaschine mit bestimmten Mindestanforderungen voraus. Daher sind einige kursierende Vorschläge wie Beatmungsmaschinen aus dem 3D-Drucker, Beatmung durch angelerntes Personal, Beatmung von zwei Patienten mit einer Maschine praxisfremd.

Nach der ersten Erkrankungswoche wandert das Virus in die Lunge. Bei manchen Patienten verschwindet das Virus aus dem Rachen und ist dort nicht mehr per Abstrich nachweisbar. Der Nachweis muss dann aus der Lunge erfolgen (z. B. Bronchoskopie, Sputum, Trachealsekret).

Nach einer Woche ist das Virus in der Regel zwar noch nachweisbar, aber nicht mehr vermehrungsfähig (replikationsfähig).

Die schwerkranken Intensivpatienten, über die z. B. die Medien aus Italien berichtet haben, hatten zu diesem Zeitpunkt gar keine vermehrungsfähigen Viren mehr im Körper. Der schlechte Zustand dieser Patienten ist vielmehr die sekundäre Folge von COVID-19, z. B. Pneumonie, bakterielle und fungale (Pilz-) Superinfektionen, septischer Schock, Organversagen/Multiorganversagen.

4. Labordiagnostik

a. Diagnostik mit Abstrich und PCR

Der Nachweis von SARS-CoV-2 erfolgt mittels Abstrich aus dem Rachen (möglichst hinter dem Zäpfchen von der Rachenhinterwand) oder aus der Lunge (z. B. Bronchoskopie, Sputum, Trachealsekret).

Vom abgestrichenen Material erfolgt der Virusnachweis mittels PCR (Polymerase Chain Reaction, Polymerase-Kettenreaktion, genetischer Test auf das Virus). Das Virus besteht aus einem Einzelstrang RNA (Ribonucleic Acid, Ribonukleinsäure), einem Nukleokapsid-Protein (inneres Hauptbauprotein), weiteren Proteinen (Eiweißen) und einer Virushülle mit weiteren Proteinen. Zunächst wird im Test die RNA in komplementäre DNA (Deoxyribonucleic Acid, Desoxyribonukleinsäure) umgeschrieben. Aus dem RNA-DNA-Hybrid wird die DNA abgetrennt, dann wird die DNA (als Doppelstrang) vervielfältigt. Ein positiver Test zeigt dann das Vorhandensein des Virus an. 

b. Antikörpertests

Ca. 7 bis 10 Tage nach Erkrankungsbeginn sind SARS-CoV-2-Antikörper im Blutserum nachweisbar. Diese können aus einer Blutprobe mittels eines Antikörpertests (ELISA-Test, Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) nachgewiesen werden. Die Einzelheiten (allgemein bindende Antikörper, neutralisierende Antikörper, Antikörpertiter) sollen hier erst einmal außer Betracht bleiben. Wichtig ist, dass diese Antikörpertests in großem Maßstab in der Bevölkerung eingesetzt werden könnten, um festzustellen, wer (auch unerkannt) bereits an COVID-19 erkrankt war und daher nun immun gegen SARS-CoV-2 ist.

UPDATE 21.04.2020: Derzeit kann man anhand von Studiendaten von einer "Herdenimmunität" im niedrig einstelligen Bereich ausgehen. Bei 2 % wären das in Deutschland 1,64 Millionen Menschen (zum Teil unerkannt Kranke und Wiedergenesene). Das würde aber eine gleichmäßige Verteilung des Virus in Deutschland voraussetzen. 

Bei möglichen Lockerungen des Kontaktverbots (lock down) könnte auch die Immunlage einzelner Personen eine Rolle spielen. Wer immun ist, kann weder sich selbst noch andere anstecken. Personen mit Immunität sind für die weitere Entwicklung besonders wertvoll. Sie können u. U. sogar ohne Schutzausrüstung mit COVID-19-Erkrankten umgehen. Sie stellen keine Gefahr für die Älteren und die anderen Risikogruppen dar. Das ist für die Versorgung dieser gefährdeten Parsonengruppen essentiell. Wahrscheinlich muss man den Personen mit Immunität eine entsprechende Laborbescheinigung ausstellen, damit sie ohne Einschränkung am öffentlichen Leben teilnehmen können. 

Entsprechende Antikörpertests wurden bereits entwickelt und es ist davon auszugehen, dass sie demnächst in großer Zahl zur Verfügung stehen.

UPDATE 21.04.2020: Bei Antikörpertests sollten nur ELISA-Tests verwendet werden. Sog. Schnelltests (mit dem Testprinzip wie beim Schwangerschaftstest) sind zu unzuverlässig. 

ELISA-Tests könnten nach Erfahrungswerten eine Spezifität von ca. 1 % haben. Das bedeutet 1 % der Testergebnisse wären falsch positiv. Dabei ist der unten beschriebene Effekt der Erkältungs-Coronaviren nicht berücksichtigt.

UPDATE 11./16.04.2020: Zu beachten ist bei Antikörpertests, dass die Antikörperklasse IgM Kreuzreaktionen zu Erkältungs-Coronaviren (HCoV-HKU1, HCoV-OC43, HCoV-NL63, HCoV-229E) aufweisen kann. Ein positiver Test auf IgM-Antikörper kann also auch bedeuten, dass der Patient vor einem Monat eine Erkältung, und nicht COVID-19, hatte. Corona-Erkältungsviren (NICHT SARS-CoV-2) sind in ca. 10% der Fälle die Ursache einer Erkältung. Der Test auf IgG ist spezifischer. IgG treten aber etwas später als IgM auf. Noch genauere Ergebniss erhält man bei einem zusätzlichen Neutralisationstest (Virus mit Patientenserum in Zellkultur; bei vorhandenen Antikörpern werden die Zellen nicht befallen). In wissenschaftlichen Studien würde man zusätzlich auf Antikörper gegen Erkältungs-Coronaviren testen, um falsch positive Ergebnisse auszuschließen. Unter den Bedingungen von Massentestungen ist das aber nicht möglich.

UPDATE 04.05.2020: Roche Diagnostics hat einen Electro-chemiluminescence immunoassay (ECLIA oder ECL) Test entwickelt, der eine Sensitivität (Rate der Erkennung) von 100 % und eine Spezifität von 99.81 % aufweist. Im Mai will Roche drei Millionen, in den danach folgenden Monaten je fünf Millionen Tests nach Deutschland ausliefern. Der Test wird unter der Bezeichnung Elecsys Anti-SARS-CoV-2 vertrieben. Elecsys Anti-SARS-CoV-2 erhielt am 02.05.2020 eine Emergency Use Authorization der FDA. Der Test hat eine CE-Kennzeichnung und ist als In-vitro-Diagnostikum in der EU verkehrsfähig (Richtlinie 98/79/EG).

Auf der Internetseite der FDA sind weitere Emergency Use Authorizations anderer Hersteller aufgeführt.

5. Schutzimpfungen

Derzeit werden von verschiedenen Firmen Schutzimpfungen entwickelt. Allerdings geht die Mehrheit der Wissenschaftler von einem Zeitraum von 12 Monaten bis zu einer flächendeckenden Anwendung von Impfstoffen aus.

6. Spezifische Therapieoptionen

Auch die spezifischen Therapieoptionen sind derzeit noch recht dünn.

a. Remdesivir

Einer der Hoffnungsträger ist der Wirkstoff Remdesivir. Dieser Wirkstoff wurde gegen Ebola entwickelt. Remdesivir hemmt die virale RNA-Polymerase des SARS-CoV-2. Die virale RNA-Polymerase kopiert die Virus-RNA (Bauanleitung des Virus) massenhaft in der menschlichen Wirtszelle. Remdesivir verhindert somit, dass sich das Virus vermehren (replizieren) kann. Allerdings ist bislang nur eine Wirkung in Zellkulturen und in Tiermodellen nachgewiesen. Ob diese Wirksamkeit auch in der Krankheitssituation beim Menschen vorhanden ist, muss erst in klinischen Studien nachgewiesen werden.

b. Niclosamid

Infos in Kürze

c. Chloroquin und Hydroxychloroquin

Außerdem wird die Wirksamkeit von Chloroquin und Hydroxychloroquin aus der Gruppe der Aminochinolone (Indikation u. a. Malaria) diskutiert. Beide Substanzen zeigen in In-vitro-Studien eine antivirale Wirkung. Eine französische Studie dazu wird wegen erheblicher Fehler im Studiendesign kritisiert. Der "Hype" um Chloroquin/Hydroxychloroquin führt zu Versorgungsengpässen bei den Patienten, für die diese Wirkstoffe zugelassen sind. Gleichwohl reserviert die deutsche Regierung "größere Mengen Chloroquin". Auch die amerikanische Regierung soll "Millionen Dosen" bestellt haben (siehe: blitz-a-t 25.03.2020). Das französische Gesundheitsministerium hat den Off-Label-Use von Hydroxychloroquin sowie von Ritonavir + Lopinavir (Indikation HIV) gegen COVID-19 im ambulanten Sektor verboten. Grund sind u. a. Versorgungsengpässe bei indikationsgerechtem Einsatz sowie Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen bei Anwendung gegen COVID-19 (DAZ 2020, Nr. 14, S. 22 , 02.04.2020).

In Brasilien wurde eine Phase IIb Studie (CloroCovid-19 Study, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04323527) abgebrochen. Im Studienarm mit zweimal täglich 600 mg Chloroquin über 10 Tage (Gesamtdosis 12g) kam es zu einer QT-Zeit-Verlängerung im EKG (QTc>500ms) und einer höheren Letalität. Siehe: Borba et al. 

c. Weitere Therapieoptionen

Zu weiteren möglichen Therapieoptionen siehe: Stahlmann R, Lode H: Medication for COVID-19—an overview of approaches currently under study. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 213–9. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0213.

7. Schutzausrüstung

Dieser Beitrag befasst sich nicht mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wie Masken und Kittel. Mit Blick auf PSA wird auf den Internetauftritt des RKI verwiesen:

www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Arbeitsschutz_Tab.html

UPDATE 21.04.2020: Das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit mag in bestimmten Situationen sinnvoll sein (z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln). Mit Mund-Nasen-Schutz-Masken (MNS) schützt man in einem gewissen Maß sein Gegenüber. Allerdings bieten diese Masken zum einen keine hohe Sicherheit. Zum anderen ist man mit einem MNS selbst völlig ungeschützt. Die um sich greifende Maskenpflicht kann ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln, was das Verhalten der Menschen negativ beeinflussen und die epidemiologische Situation verschlechtern kann.

8. Kontaktpersonenmanagement

Auch zum Kontaktpersonenmanagement wird auf den Internetauftritt des RKI verwiesen:

www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

Dort werden Empfehlungen und Optionen veröffentlicht in folgenden Konstellationen:

  • Management von Kontaktpersonen (16.4.2020)
  • Arztpraxen und Krankenhäuser: Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel (17.4.2020)
  • Alten- und Pflegeeinrichtungen: Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem und nicht medizinischem Personal bei Personalmangel (17.4.2020)
  • Kritische Infrastrukturen: Optionen zum Management von Kontaktpersonen bei Personalmangel (3.4.2020)

sowie

  • Häusliche Quarantäne: Flyer für Kontaktpersonen (30.3.2020)
  • Flyer für Patienten und Angehörige: Häusliche Isolierung bei bestätigter COVID-19-Erkrankung (24.3.2020)

9. Quellen

  • Amanat et al., A serological assay to detect SARS-CoV-2 seroconversion in humans, medRxiv, doi: https://doi.org/10.1101/2020.03.17.20037713
  • Adhikari et al., Epidemiology, causes, clinical manifestation and diagnosis, prevention and control of coronavirus disease (COVID-19) during the early outbreak period: a scoping review, Infectious Diseases of Poverty, 2020, 9:29, https://doi.org/10.1186/s40249-020-00646-x
  • Andersen et al., The proximal origin of SARS-CoV-2, Nat Med (2020). https://doi.org/10.1038/s41591-020-0820-9
  • Bendavid et al., COVID-19 Antibody Seroprevalence in Santa Clara County, California, medRxiv 17.04.2020,  doi: https://doi.org/10.1101/2020.04.14.20062463
  • Berhe et al., Global epidemiology, pathogenesis, immune response, diagnosis, treatment, economic and psychological impact, challenges, and future prevention of COVID-19: A Scoping review, https://doi.org/10.1101/2020.04.02.20051052
  • Borba et al., Chloroquine diphosphate in two different dosages as adjunctive therapy of hospitalized patients with severe respiratory syndrome in the context of coronavirus (SARS-CoV-2) infection: Preliminary safety results of a randomized, double-blinded, phase IIb clinical trial (CloroCovid-19 Study), medRxiv 16.04.2020, doi: https://doi.org/10.1101/2020.04.07.20056424
  • DIVI, Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie, www.divi.de/empfehlungen/publikationen/covid-19/1540-covid-19-ethik-empfehlung-v2/file
  • Gudbjartsson et al., Spread of SARS-CoV-2 in the Icelandic Population, N Engl J Med 2020, 14.04.2020, DOI: 10.1056/NEJMoa2006100
  • Guangming et al., Clinical characteristics of severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 reactivation, Journal of Infection 2020, e14
  • He et al., Temporal dynamics in viral shedding and transmissibility of COVID-19, Nat Med (2020). https://doi.org/10.1038/s41591-020-0869-5
  • Jiang et al., Global profiling of SARS-CoV-2 specific IgG/ IgM responses of convalescents using a proteome microarray, https://doi.org/10.1101/2020.03.20.20039495
  • Jing et al., PCR Assays Turned Positive in 25 Discharged COVID-19 Patients, Clinical Infectious Diseases, 2020, ciaa398, https://doi.org/10.1093/cid/ciaa398
  • Kampf et al., Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents, Journal of Hospital Infection, 2020, 246
  • Kluge et al., Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, Med Klin Intensivmed Notfmed 2020, https://doi.org/10.1007/s00063-020-00674-3
  • Konda et al., Aerosol Filtration Efficiency of Common Fabrics Used in Respiratory Cloth Masks, ACS Nano 2020, XXXX, XXX, XXX-XXX, Publication Date:April 24, 2020, https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03252
  • Lavezzo et al., Suppression of COVID-19 outbreak in the municipality of Vo, Italy, medRxiv 18.04.2020, doi: https://doi.org/10.1101/2020.04.17.20053157
  • Letko et al., Functional assessment of cell entry and receptor usage for SARS-CoV-2 and other lineage B betacoronaviruses. Nat Microbiol 5, 562–569 (2020). https://doi.org/10.1038/s41564-020-0688-y
  • Qifang et al., Epidemiology and Transmission of COVID-19 in Shenzhen China: Analysis of 391 cases and 1,286 of their close contacts,medRxiv, https://doi.org/10.1101/2020.03.03.20028423
  • Wölfel et al., Virological assessment of hospitalized patients with COVID-2019,
    Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-020- 2196-x (2020)
  • arznei-telegramm
  • Deutsche Apotheker Zeitung
  • Deutsches Ärzteblatt
  • Homepage RKI
  • Skripten zum CORONAVIRUS-UPDATE von NDR Info mit Professor Christian Drosten, Virologe Charité Berlin, Folgen 1 bis 32

ANHANG

I. Kritik an den Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen

In dieser Corona-Pandemie zeigt sich allenthalben, dass das deutsche Gesundheitswesen in den letzten Jahrzehnten zum Teil kaputt gespart wurde. Es wurde nicht "gesund geschrumpft" wie uns manche Gesundheitsökonomen und Gesundheitspolitiker weismachen wollen, sondern es wurde "krank geschrumpft". 

Noch vor wenigen Monaten wurde behauptet, Deutschland käme mit 50 % der derzeitigen Krankenhäuser aus (Bertelsmann-Stiftung: Loos/Albrecht/Zich, Zukunftsfähige Krankenhausversorgung - Simulation und Analyse einer Neustrukturierung der Krankenhausversorgung am Beispiel einer Versorgungsregion in Nordrhein-Westfalen, Juli 2019). Der Mangel an Pflegepersonal ist Folge schlechter Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, die wiederum Folge der Sparmaßnahmen der Politik sind.

Um die Pflegepersonaluntergrenzen einhalten zu können, haben bis zur Jahresmitte 2019 37% der Krankenhäuser mit entsprechenden Bereichen Intensivbetten gesperrt. Weitere 6 % der Häuser planen dies konkret (Deutsches Krankenhausinstitut: Blum/Löffert/Offermanns/Steffen, Krankenhaus Barometer 2019). Anmerkung: Derzeit sind die Pflegepersonaluntergrenzen vorübergehend (bis 31.12.2020) ausgesetzt (Erste Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vom 25.03.2020, BGBl. I, S. 596).

In der Vergangenheit wurde Deutschland, z. B. von der OECD, für den hohen Anteil an Intensivbetten (34 pro 100.000 Einwohner, doppelt so viel wie der OECD-Durchschnitt, dreimal so viel wie in Italien oder Spanien) gerügt. Allerdings räumt jetzt die Leiterin der OECD-Abteilung für Gesundheitspolitik, Francesca Colombo, ein, dass heute die Länder „ohne Überschusskapazitäten am stärksten in Bedrängnis“ gerieten (FAZ vom 25.03.2020, S. 16).

UPDATE 18.04.2020: Auch die Leopoldina hat 2016 den massiven Abbau von  Krankenhäusern gefordert. Unter dem Titel "Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem" veröffentlichte sie 8 Thesen zur "Weiterentwicklung zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft". Die Thesen rühren vom Symposium „Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem“ am 21.01.2016 in Berlin her. Die Autoren Busse, Ganten, Huster, Reinhardt, Suttorp und Wiesing, die "die zu hohe Zahl von Krankenhäusern" beklagen, betonen:

"Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark mit einem Krankenhaus pro 250.000 Einwohner, wären es bei uns 330 [Anmerkung: statt 1.646]."

In These 5 wird zudem von einem "unnötig aufgeblähten System mit zu vielen Krankenhäusern" gesprochen. 

Die Ernsthaftigkeit der Forderung nach einem erheblichen Abbau der Anzahl der Krankenhäuser geht aus einem Interview des Autors Busse für die Zeitschrift Gesundheit + Gesellschaft 2017, 39, (einer AOK-Zeitschrift) hervor. 

Busse beklagt Überkapazitäten und äußert:

"Der Vergleich ist keineswegs provokant. Ob wir uns bei der Krankenhausdichte nun mit Dänemark oder Österreich vergleichen, wir gelangen immer zu einer Zahl von 300 bis 400 Krankenhäusern. 

[...] 

Insofern ist die Zahl 330, die wir aus der dänischen Krankenhausdichte mit einem Krankenhaus pro 250.000 Einwohnern ableiten, alles andere als zufällig. Als provokant wird sie nur wahrgenommen, weil die Differenz zu den derzeit 1.956 Kliniken [Anmerkung: 1.646 sog. allgemeine Krankenhäuser] so groß ist."

Der geforderte Abbau von Krankenhäuser war also ernst gemeint und nicht nur Inhalt eines unverbindlichen Diskussionspapiers. 

Nach dem Ende der Corona-Pandemie wird über all diese Zusammenhänge zu reden sein.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat für die Zeit nach der Corona-Krise eine Überprüfung des deutschen Gesundheitssystems gefordert:

"Wir müssen einfach darauf reagieren, dass Gesundheit kein rein marktwirtschaftliches Gut sein kann."

Zwar müssten die Kommunen über die Trägerstruktur von Krankenhäusern entscheiden. Grundsätzlich gelte aber, dass es eine staatliche Gewährleistungsverantwortung gebe.

"Einige Krankenhäuser sind kaputtgespart worden."

Es müsse darüber gesprochen werden, "ob wir nicht dauerhaft mehr für Gesundheit und Pflege ausgeben müssen".

www.tagesschau.de/inland/coronavirus-heil-krankenhaeuser-101.html 

II. Kritik an den langen Wegen zur Labordiagnostik bei PCR

In der Praxis ist die Zeitdauer zwischen Abstrich und Ergebnis u. U. problematisch. In der Vergangenheit haben viele Krankenhäuser aus Kostengründen eigene Labore geschlossen und die Leistungen fremdvergeben. Große Laborketten bieten die PCR zum Teil sehr günstig an. Allerdings werden die Proben oft bundesweit transportiert, zum Teil über mehrere Stationen. Im Extremfall kann dies durch Transportlogistik und Testreihenoptimierung eine Verzögerung des Testergebnisses von bis zu 6 Tagen bedeuten, obwohl der eigentliche Test nur einige Stunden dauert. Solche Zeiträume sind natürlich in der Pandemiesituation fatal. Glücklich kann das Krankenhaus sein, das über ein eigenes PCR-Labor verfügt oder ein Labor mit SARS-CoV-2-PCR in der Nähe vertraglich gebunden hat. Selbst bei Fremdbeauftragung liegen dann die Ergebnisse binnen 24 Stunden vor.