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Bundesgerichtshof: Strafbarkeit des Inverkehrbringens von Zytostatika-Lösungen aus nicht zugelassenen Arzneimitteln

Bundesgerichtshof: Strafbarkeit des Inverkehrbringens von Zytostatika-Lösungen aus nicht zugelassenen Arzneimitteln
(Dienstag, 04. September 2012)

Der BGH hat entschieden, dass das Hinzufügen von Kochsalzlösung zu einem nicht zugelassenen Arzneimittel keine Herstellung eines Rezepturarzneimittels und das Inverkehrbringen somit strafbar ist. Außerdem ist das Abrechnen des teureren zugelassenen Arzneimittels in diesen Fällen Abrechnungsbetrug (BGH, Urt. v. 04.09.2012 - 1 StR 534/11, Pressemitteilung 143/12 vom 04.09.2012).

Der BGH hob - auf Revision der Staatsanwaltschaft - das freisprechende Urteil des Landgerichts München II (Urt. v. 15.07.2011 - W 5 KLs 70 Js 25946/08, Juris) auf.

PRAXISTIPP: siehe unten

Dem angeklagten Apotheker wurde vorgeworfen, 2006 und 2007 bei der Zubereitung von Zytostatika-Lösungen das in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel 733Gemzar1000 verwendet zu haben, obwohl in Deutschland etliche zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Gemcitabin auf dem Markt waren. Außerdem hatte der Apotheker bei der Abrechnung gegenüber gesetzlichen Krankenkassen und Privatpatienten den höheren Preis eines nicht verwendeten - in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimittels - angesetzt. Nach Auffassung des BGH kommt eine Strafbarkeit gemäß § 96 Nr. 5 AMG in Betracht. § 96 Nr. 5 AMG regelt:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...]

5. entgegen § 21 Abs. 1 Fertigarzneimittel oder Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, oder in einer Rechtsverordnung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 oder § 60 Abs. 3 bezeichnete Arzneimittel ohne Zulassung oder ohne Genehmigung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder des Rates der Europäischen Union in den Verkehr bringt, [...]"

In Deutschland dürfen Fertigarzneimittel - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Arzneimittelzulassung der zuständigen deutschen obersten Bundesbehörde oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA haben.

Nach Ansicht des BGH entfällt die Zulassungspflicht nicht dadurch, dass aus dem Arzneimittel Gemzar durch Hinzugabe von Kochsalzlösung eine Injektionslösung zubereitet wird. Die Verbringung eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsbereite Form mache aus ihm kein Rezepturarzneimittel; hierfür bedürfe es vielmehr der Durchführung wesentlicher Herstellungsschritte in der Apotheke. Die Pflicht zur Zulassung bestehe damit fort.

Eine Strafbarkeit gemäß § 96 Nr. 13 AMG (Verstoß gegen die Verschreibungspflicht, da der verschreibende Arzt nur in Deutschland zugelassene Arzneimittel verschreiben wollte) käme ggf. ebenfalls in Betracht. Diese Strafvorschrift träte im vorliegenden Fall aber jedenfalls hinter § 96 Nr. 5 AMG zurück.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts komme auch eine Strafbarkeit wegen Betruges in Betracht, weil für nicht zugelassene Arzneimittel kein Erstattungsanspruch bestehe. Damit läge ein Schaden in voller Höhe der von den Krankenkassen und privat versicherten Patienten zu Unrecht erstatteten Beträge vor. die Staatsanwaltschaft ging in der Anklage von einem Gesamtschaden von ca. 330.000 EUR aus. Der Apotheker hatte den Ersatzkassen im Rahmen eines Vergleichs ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 65.000 EUR zurückgezahlt.

Der BGH hat das Verfahren an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

PRAXISTIPP: Die Auswirkungen der BGH-Entscheidung sind enorm und betreffen eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Das einfache Zugeben von Kochsalzlösung zu nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln (Umwandeln eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsbereite Form) führt nicht zum Herstellen von Rezepturarzneimitteln. Hierfür bedarf es vielmehr der Durchführung wesentlicher Herstellungsschritte in der Apotheke. Ob die Entscheidung Einfluss hat auf die laufenden Ermittlungsverfahren gegen Frauenärzte, die in Deutschland nicht zugelassene Verhütungsmittel bezogen haben, muss in jedem Einzelfall beurteilt werden. In der Praxis müssen sowohl Apotheker als auch Ärzte peinlich genau darauf achten, dass alle Abrechnungsvorschriften genau eingehalten werden, um sich nicht dem Vorwurf des Abrechnungsbetrugs auszusetzen.